Pornostar - oder: Schuster, bleib bei deinen Leisten...

Sie sind hier

Das Jahr 2005 war ein gutes Jahr für die Pornographie- sie entkam kurzfristig den miefigen Videotheks-Hinterstübchen und präsentierte sich stattdessen in den Feuilletons. Zunächst in Form des Dokumentarfilms „Inside Deep Throat“ von Fenton Bailey über den gleichnamigen 70´er Pornofilm „Deep Throat“, der nicht zuletzt aufgrund seines Protagonistinnen Mythos bekannt wurde. Linda Lovelace, (die in diesem Streifen übrigens eine junge Dame spielt deren Kitzler aufgrund einer üblen Laune der Natur von der Vulva in den Hals gewandert ist, so dass sie von nun an beim Oralverkehr die Glocken vor lauter Vergnügen läuten hört...) nahm der Geschichte nach nicht freiwillig an diesem illustren Treiben teil, sondern wurde gegen ihren Willen zum Mitmachen gezwungen. Eben diesem Gerücht und dem schier unglaublichen Aufruhr den der Film damals verursachte (er war in über 23 Staaten verboten, spielte dennoch über 600 Millionen Dollar ein und ist somit gemessen an den Produkionskosten der profitabelste Film aller Zeiten!) ging „Inside Deep Throat“ nach. Eine Folge dieser medialen Wiederaufbereitung war, dass wohl nicht nur in meinem akademischen Freundeskreis plötzlich die größten Pornogegner unter der Flagge der Subkultur gemütliche Pornovideoabende mit Chips und Bier veranstalteten, in dessen Rahmen echte Schmankerl wie „Behind the green Door“, „The Devil in Miss Jones“ und eben auch „Deep Throat“ präsentiert wurden. Auch die Geschichte des wohl bekanntesten Playmates der Fünfziger Jahre, Bettie Page, wurde im Jahr 2005 mit der Hollywoodschauspielerin Gretchen Mol verfilmt und hievte die gute Bettie aus dem Independent-Sektor in den Mainstream Himmel („The Notorious Bettie Page“, Regie Mary Harron).

Und in eben jenes bereitete Feld pflanzte nun auch Jenna Jameson ihren Autobiographie-Schinken „Pornostar“, verfasst mithilfe von Neill Strauss, welcher mit „The Dirt“ das heiße Rockstardasein der Mötley Crüe kongenial verfasste. „Pornostar“ kann dort leider nicht anknüpfen, beiweiten nicht. Immer wieder blitzt er auf, der amerikanische Traum – vom Tellerwäscher zum Millionär, wenn uns von der kleinen Jenna erzählt wird, deren Mutter als die drei war an Krebs verstarb, die bis zuletzt um die Liebe ihres Vaters kämpfen musste, schließlich mit sechzehn von zuhause auszog um immer wieder an die falschen Männer zu geraten, sich aber schließlich aus einem Sumpf von Drogen, Alkohol, Missbrauch und Einsamkeit befreien konnte um reich und glücklich mit dem Mann ihrer Träume vor den Traualtar zu treten. Seufz, wie schön mag man da denken. Aber halt, da war doch noch was. Achja, manchmal mag man fast vergessen dass diese „Fall and Rise - Geschichte“ ja das Leben der erfolgreichsten Pornodarstellerinnen aller Zeiten erzählt, die inoffiziell auch die „Queen of Porn“ genannt wird. Mit sechzehn tanzte sie bereits im Crazy Horse, wurde abhängig von Acid und Speed und hatte schon zwei Vergewaltigungen hinter sich. Mit zwanzig war sie wieder clean, lebte in Californien und hatte ihre ersten Cover Shoots im Hustler Magazin, Penthouse und Chérie. Ihre eigentlich Karriere hindoch begang mit der Unterzeichung eines Exklusiv-Vertrags bei Wicked Pictures, einer gut laufenden pornographischen Filmproduktionsfirma, bei welcher sie Chasey Lane als Starbesetzung ablöste. Von da an ging es nur noch bergauf, geradezu in den Pornostar-Himmel. Eine Preisverleihung mit Jenna Jameson als Hauptgewinnerin jagte die nächste, Auftritte bei Howard Stern („Radio Affairs“), eine Affäre mit Tommy von Mötley Crüe, sowie eine Nacht mit Marilyn Manson („Er war sehr zärtlich und liebevoll. Er wusch mich von Kopf bis Fuß und bearbeitete minutenlang meine Füße. Dann leckte er mich fast eine ganze Stunde lang. Ebenso lang brauchte ich, um mich an das Bild des nackten God of Fuck beim Oralsex zu gewöhnen, dessen weißer Hintern in die Luft ragte.“) bereiteten den Weg in die Klatschspalten der Gossip-Journale. Und wie schon erwähnt, dann auch noch die Märchenhochzeit mit ihrem Kollegen Jay Grdina auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Hier endet die Autobiographie. Gespickt wird der doch eher anspruchslose Sermon mit vielen austauschbaren Fotographien von Jenna, öden Tagebucheintragungen eines x-beliebigen Teenagers mit tougher Bio und möchte-gern-lustigen Comic-Strips in denen uns eine Toon-Jenna Tips für Stripperinnen mit auf den Weg gibt. Gähn. Das ganze überschreitet nie wirklich das Niveau einer RTL-Explosiv Reportage, verweist auf der sprachlichen Ebene auf das Bildungslevel der Protagonistin und bringt auch wenig neue Einsichten in die Machenschaften des milliardenschweren Porno-Imperiums. Und wer aus voyeristischem Interesse zu dem Schmöker greifen will, dem sei auch hier versichert, dass er entweder mit einem echten Porno-Streifen der guten Jenna oder anderen erotischen Schmökern besser bedient sei (z.B. „Das obszöne Werk“ von G. Bataille, Anm. d. Aut.). White trash beautiful, there´s something you should know – you´d better fuck than write!

Autor: Sunny Gun